Was hast du gedacht, als du diesen Titel gelesen hast? Etwa folgendes: „Die Gemeinde ist doch der Leib Christi, sie ist Seine Braut, die Er mit Seinem Blut erkauft hat und sehr liebt. Man kann sie doch nicht einfach als 'Götze' bezeichnen“? Dann stimme ich völlig mit dir überein. Mir geht es hier auch gar nicht um die Gemeinde an sich, sondern um unsere Einstellung, die wir ihr gegenüber haben. Ein Bild, eine Figur oder ein anderer Gegenstand ist ja auch nicht von sich aus ein Götze, sondern deshalb, weil Menschen ihn dazu machen, weil sie ihn an Gottes Stelle setzen, weil sie ihn verehren, anbeten, von ihm Schutz und Hilfe erwarten, usw. (Natürlich gibt es auch Götzenfiguren und -bilder, die bewusst als Darstellung eines bekannten Götzen angefertigt werden, z. B. die Figuren der griechischen Göttin Artemis – römisch: Diana – die die Silberschmiede zur Zeit des Paulus in Ephesus herstellten; das waren Götzenbilder, unabhängig davon, was damit gemacht wurde – aber darum soll es hier nicht gehen.)
Sehen wir uns die Geschichte an, wie Aaron für das Volk Israel das goldene Kalb herstellte (5. Mose 32,1-6). Wenn du irgendwo eine Statue siehst, die ein Kalb (einen Stier) darstellt, hältst du das gleich für eine Götzenfigur? Wohl kaum (außer du hast Grund, das in dem speziellen Fall anzunehmen). Jedenfalls gibt es viele Statuen und Bilder, die Tiere darstellen, aber keine Götzenbilder sind. Doch wie war das bei Aaron und dem Volk Israel? Als Mose viel länger auf dem Berg blieb, als das Volk erwartet hatte, dachten sie, sie hätten ihren Anführer (und ihren Gott) verloren, und sie verlangten von Aaron, ihnen Götter zu machen, die vor ihnen herziehen würden. Und als Aaron fertig war, sagten sie, das seien die Götter, die sie aus der Sklaverei in Ägypten herausgeführt hätten. Sie gaben also dieser Figur die Bestimmung, ihr Gott zu sein, und das machte sie zu ihrem Götzen.
Die Bibel macht uns aber an vielen Stellen – sowohl im Alten als auch im Neuen Testament – klar, dass die Götzen, die an Gottes Stelle gesetzt wurden, im Vergleich zu Gott Nichtse sind, schwach, hilflos, erbärmlich, und wer sich auf sie verlässt, verachtet Gott und lehnt Ihn und Seine Hilfe ab. Zwei Schriftstellen, die uns besonders plastisch vor Augen malen, wie schwach und unterlegen die Götzen gegenüber Gott sind, sind die Auseinandersetzung Elias mit den Baalspriestern auf dem Berg Karmel (1. Könige 18) und die Situation, als es den Philistern gelang, die Bundeslade zu stehlen, und sie sie in das Haus ihres Götzen Dagon brachten, mit der Folge, dass die Statue Dagons zwei mal vor der Bundeslade auf den Boden fiel und dabei zerbrach (1. Samuel 5).
Wenn ich also die Gemeinde als „Götzen“ bezeichne, will ich uns dazu aufrufen, dass wir uns prüfen, wo wir die Gemeinde an Gottes Stelle gesetzt haben, d. h. wo wir von der Gemeinde, einzelnen Geschwistern, Pastoren, Ältesten oder auch von der Organisation, dem Gemeindesystem (den da üblichen Denk- und Verhaltensweisen) das an Schutz, Hilfe, Heilung usw. erwarten, was nur Gott uns geben kann.
Wie habe ich die Gemeinde zu meinem Götzen gemacht?
Sie war meine Identität. Ich war, wer ich in der Gemeinde war, wie ich da akzeptiert wurde, welche Position und Aufgaben ich da hatte – wie Gott mich sah, wusste ich nicht.
Die Gemeinde war meine Waffenrüstung (Epheser 6,14-17). Normalerweise sollte Jesus bzw. das, was Er uns durch Sein Leiden und Sterben und Seine Auferstehung erworben hat, unsere Waffenrüstung sein. Die Gemeinde war meine Wahrheit: Alles, was gelehrt wurde, habe ich akzeptiert und nachgeplappert, weil es die Lehre der Gemeinde war, selbst dann noch, als die Gemeinde anfing, in klare Irrlehren abzudriften – danach, was Gott dazu zu sagen hatte, fragte ich nicht, obwohl Sein Wort uns auffordert, alles zu prüfen. Die Gemeinde war meine Gerechtigkeit: Indem ich so redete und mich so verhielt, wie es da üblich war, war ich gerechtfertigt und angenommen – dass ich bei Gott angenommen war aufgrund der Erlösung durch Jesus, war nicht mehr so wichtig, ich lebte aus der Annahme durch die Geschwister. Die Gemeinde war meine Bereitschaft: Weil in der Gemeinde so viele lieb und freundlich zu mir waren, war ich bereit, mich einzusetzen für die Dinge der Gemeinde – aber wie und wozu Gott mich bereit machen wollte, fragte ich nicht. Die Gemeinde war mein Schild, mit dem ich mich gegen feindliche Angriffe zu schützen versuchte: Man hatte in der Gemeinde eine Methode entwickelt, mit feindlichen Angriffen umzugehen, auf die man sich verließ, und ich war da voll dabei – dass aber Jesus schon den Teufel besiegt hatte und ich ihn nicht mehr durch meine (pseudo-)geistlichen Methoden besiegen musste, erkannte ich damals nicht. Die Gemeinde war mein Heil: Wo ich Heil (Erlösung, Frieden, Freiheit usw.) brauchte, suchte ich Hilfe durch Geschwister, Unterstützung durch die Gemeinde – aber ich hatte nicht den Glauben, dass es aus Jesus kam. Die Gemeinde war mein geistliches Schwert: Statt dass ich in der Bibel las und mich daraus ernährte, lieferte mir die Gemeinde mit ihren Lehren und Irrlehren das Wort (Schwert).
Zudem war die Gemeinde mein Friede. Aus der Gemeinde kam meine Rechtfertigung (Gerechtigkeit). Gerechtfertigt durch die Gemeinde hatte ich Frieden (vgl. Römer 5,1), fühlte ich mich wohl und geborgen.
Eigentlich habe ich alles aus der Gemeinde und nichts mehr von Gott erwartet; ich habe die Gemeinde an die Stelle Gottes gesetzt, aber: „So spricht der HERR: Verflucht ist der Mann, der auf Menschen vertraut und Fleisch zu seinem Arm macht und dessen Herz vom HERRN weicht! Er wird sein wie ein kahler Strauch in der Steppe ...“ (Jeremia 17,5-6). Genau so war mein Leben, und es hat erst angefangen, besser zu werden, seit ich mein Vertrauen direkt auf Gott setze, seit ich von Ihm erwarte, dass Er mir gibt, was Er mir verheißen und was Jesus mir erkauft hat, und seit ich nicht mehr von der Gemeinde (und anderen Menschen) erwarte, was Er mir geben will. Wie Jeremia fortfährt: „Gesegnet ist der Mann, der auf den Herrn vertraut … Er wird sein wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist ...“ (Jeremia 17,7-8).
Es gibt auch Gemeinden, in denen man direkt angeleitet wird, sich auf die Gemeinde zu verlassen. Und wenn schon derjenige verflucht ist, der sich auf Menschen verlässt, dann wird erst recht derjenige verflucht sein und ich schuldig machen, der andere dazu anleitet, sich auf Menschen zu verlassen, Menschen an die Stelle Gottes zu setzen.
Wir müssen diesen Götzen „Gemeinde“ aus unserem Leben hinauswerfen. Stattdessen brauchen wir den Geist der Sohnschaft (den Geist der Kindschaft, in King James: spirit of adoption, also Geist der Adoption, Geist der Annahme als Kind – Römer 8,15), in dem wir rufen: Abba, (lieber) Vater (Daddy, Papa)! Wenn wir Ihn kennen, wenn wir von Ihm empfangen, werden wir von der Gemeinde unabhängig, kommen wir aus der Abhängigkeit von geistlichen Leitern und Geschwistern heraus.
Das bedeutet ja nicht, dass Gott nicht auch durch Menschen zu uns sprechen und uns durch sie segnen will. Aber es kommt darauf an, dass wir von Ihm erwarten und nicht von Menschen, und dann werden wir von Ihm (durch Menschen) empfangen und nicht einfach nur von Menschen. Und wenn wir von Gott abhängig sind, und in der Gemeinde wird etwas Gutes gesagt (gepredigt), oder wir erfahren sonst etwas Gutes in der Gemeinde, wird uns das näher zu Ihm bringen, mehr in die Abhängigkeit von Ihm, mehr in Seinen Segen. Haben wir uns aber von der Gemeinde abhängig gemacht, und in der Gemeinde wird etwas Gutes gesagt (gepredigt), oder wir erfahren sonst etwas Gutes in der Gemeinde, wird uns das zwar einerseits segnen, andererseits werden wir aber dadurch tiefer in die Abhängigkeit von der Gemeinde hinein geführt; z. B. du hörst eine gute Predigt und wirst einerseits dadurch gesegnet, weil Gott verspricht, dass Sein Wort, das du da gehört hast, bewirkt, wozu Er es gesandt hat, aber, weil du in deinem Herz das Gute von der Gemeinde (von dem Prediger) erwartest, wird der Seiteneffekt sein, dass du dich fester an die Gemeinde bindest statt an Gott (weil du ja da gesegnet wurdest); d. h. die Tatsache, dass du von Gott durch Sein Wort gesegnet wurdest, führt aufgrund der Tatsache, dass du die Quelle des Segens falsch identifizierst (du hältst die Gemeinde bzw. den Prediger für die Quelle statt Gott), dazu, dass du dich tiefer in den Götzendienst (Gemeindevergötzung) verstrickst und tiefer in den damit verbundenen Fluch hinein gerätst. Anders gesagt: Weil du die Quelle deines Segens falsch identifizierst, kann sogar Gottes Wort dazu benutzt werden, um dich tiefer in den Götzendienst (Gemeindevergötzung) zu verstricken, was dich auch tiefer in den damit verbundenen Fluch hineinführen wird.
Frage: Wo ist die Gemeinde in deinem Leben an die Stelle Gottes getreten und damit zu deinem Götzen geworden?
Bitte schreibe einen Kommentar, die Antwort interessiert mich.
gepostet von Nathanael